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Chemie

Wie Urzeit-Mikroben Wasserstoff spalteten

Alkalische Quellen boten schon auf der Urerde Energie aus Wasserstoff

alkalische Hydrothermalquelle im Atlantik, die Wasserstoff produziert
Das Bild zeigt eine alkalische Hydrothermalquelle, die Wasserstoff produziert. Sie liegt in der Sulis-Formation im Hydrothermalfeld Lost City im mittleren Atlantik. © Susan Lang, University of South Carolina /NSF/ROV Jason 2018 / Woods Hole Oceanographic Institution

Günstige Bedingungen: Schon auf der frühen Erde nutzten primitive Bakterien Energie aus Wasserstoff, indem sie die zweiatomigen Moleküle dieses Gases spalteten. Aber wie gelang ihnen dieser chemisch komplexe Vorgang? Wie Forschende herausgefunden haben, halfen den Urzeit-Mikroben dabei die mineralischen Bedingungen in den hydrothermalen Quellen, die als Wiege des Lebens gelten. Durch sie konnten die Mikroben den Wasserstoff auch ohne spezielle Enzyme als Energiequelle nutzen.

Die Verbrennung von Wasserstoff (H2) liefert Energie, ohne dass das Treibhausgas CO2 entsteht. Das Gas gilt daher als klimafreundlicher Brennstoff der Zukunft und Schlüssel zu nachhaltiger Energie. Doch was wir erst seit kurzem für uns entdeckt haben, kennen Bakterien schon lange: Schon die allerersten Zellen auf der Urerde nutzten wahrscheinlich Wasserstoff als Energielieferant, um damit molekulare Lebensbausteine herzustellen. Das Gas stammte damals aus Hydrothermalquellen, wie sie noch heute in der Tiefsee vorkommen. In diesen warmen Quellen gibt es kein Licht oder Sauerstoff, aber chemische Energie – unter anderem in Form von Wasserstoff.

Energetischer Trick teilt Elektronen auf

Doch wie genau die ersten Zellen auf der Erde dazu kamen, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen, war bislang unklar. Denn um aus Wasserstoff Energie zu gewinnen, müssen Zellen das H2-Molekül zunächst aufspalten und dessen Elektronenpaar auf spezielle Weise aufteilen. Einem der beiden Elektronen wird dabei so viel Energie entzogen, dass das andere Elektron in einen höheren Energiezustand versetzt werden kann. Dieser Vorgang wird als Elektronenbifurkation bezeichnet.

Heutige Zellen besitzen für diesen Prozess mehrere metallhaltige Enzyme und organische Cofaktoren, die die Elektronen zu einem eisenhaltigen Molekül namens Ferredoxin befördern. Dieses fungiert als Elektronenträger und ermöglicht die Aufteilung in zwei energetisch unterschiedliche Teilchen. Doch solche Enzyme und Cofaktoren gab es auf der Urerde noch nicht.

Wie gelingt die Wasserstoff-Spaltung ohne Enzyme?

Wie haben die evolutionär frühen Zellen diese energetische Aufwärtsreaktion dann stattdessen vollbracht? Ein Team um Max Brabender von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat das nun genauer untersucht. „Mehrere verschiedene Theorien wurden dazu aufgestellt, wie die Umwelt die Elektronen energetisch nach oben zu Ferredoxin getrieben haben könnte“, sagt Brabenders Kollege William Martin. Diese Theorien hat das Team nun mithilfe von Laborversuchen überprüft.

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Die Analysen ergaben: Bei dem für viele hydrothermale Quellen typischen pH-Wert von 8,5 sind offenbar tatsächlich keine Enzyme erforderlich, um die Wasserstoff-Moleküle zu spalten. Allerdings ist neben der alkalischen Umgebung auch metallisches Eisen nötig, wie die Forschenden im Rahmen ihrer Versuche herausfanden.

„Die H–H-Bindung von H2 spaltet sich dann an der Eisenoberfläche und erzeugt Protonen, die vom alkalischen Wasser verbraucht werden, und Elektronen, die dann einfach direkt auf Ferredoxin übertragen werden“, erklärt Koautor Wolfgang Buckel vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.

Einfache Reaktion am Ursprung des Lebens

Bei 40 Grad Celsius dauerte dieser Prozess knapp vier Stunden, wie die Forschenden berichten. Das ist zwar deutlich langsamer als bei heutigen Zellen mit Enzymen möglich, zeigt aber, dass Wasserstoff grundsätzlich auch ohne diese biochemischen Katalysatoren genutzt werden kann. „Wir haben damit einen Prozess identifiziert, der einfacher nicht sein könnte und der unter den natürlichen Bedingungen der Hydrothermalquellen funktioniert“, sagt Martin.

„Das passt gut zu der Theorie, dass das Leben in solchen Umgebungen entstanden ist“, ergänzt Koautorin Natalia Mrnjavac von der Universität Düsseldorf. „Solche einfachen chemischen Reaktionen können eine wichtige Lücke im Verständnis des komplexen Entstehungsprozesses (der Evolution) schließen.“

Woher kam das metallische Eisen?

Aber woher kam das für den Prozess nötige Eisen auf der Urerde? Zwar gab es schon damals viele eisenhaltige Mineralien. In diesen liegt das Metall aber meist als Oxid vor, sodass es erst chemisch reduziert werden muss. Doch wie die Analysen ebenfalls zeigten, kann das Wasserstoffgas aus den Hydrothermalquellen diese natürlich vorkommenden Mineralien zu metallischem Eisen reduzieren.

Dass Wasserstoff dies kann, ist an sich keine neue Erkenntnis, sagt Koautor Harun Tüysüz vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim. Viele Prozesse in der chemischen Industrie nutzen Wasserstoff, um aus metallhaltigen Mineralien Metalle zu machen. „Überraschend ist jedoch, dass dies auch in der Natur geschieht, vor allem an Hydrothermalquellen, und dass dieses natürlich abgelagerte Eisen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben könnte“, so Tüysüz. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2024; doi: 10.1073/pnas.2318969121)

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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